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Philosophische Darstellung eines Systems aller Wissenschaften oder einer allgemeinen Wissenschaftslehre
SchwickertLeipzig1806Vorrede (III)
Einleitung (1)
I. Kritik des menschlichen Erkenntnißvermögens (8)
II. Klassifizirung der Wissenschaftsobjekte (18)
III. System aller Wissenschaften (199)
http://books.google.com/books?id=YhdCAAAAcAAJ&pg=PR7
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10401178_0...
CERL Thesaurus
http://thesaurus.cerl.org/record/cnp00366733
Georg Christoph Hamberger, Johann Georg Meusel. Das gelehrte Teutschland, oder, Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller 18 (1821), S. 86
http://books.google.com/books?id=3082AAAAIAAJ&pg=PA86
"In den neuern Zeiten that keine Nazion mehr für die Wissenschaften, als die Deutschen. Durch ihren rastlosen Eifer, durch ihre unübertreffliche Gründlichkeit, die andre Nazionen mit Unrecht Pedanterie nennen, gaben sie fast jedem Zweige des Wissens mehr Vollkommenheit, mehr System. Selbst Kenntnisse, für deren Enthüllung andre Nazionen bestimmt schienen, theilten sie zuerst der Welt mit. Nicht die Bewohner italischer Paradiese, ein Deutscher *) lehrte die Geheimnisse der Kunst, nicht Männer, die sich des schönen Himmels der südlichen Länder erfreuten, drei Deutsche **) entdeckten noch unbekannte Planeten, nicht Mitglieder der großen seefahrenden Nazionen, drei Deutsche***) enthüllen jetzt Asiens, Afrika's, und Amerika's Innere.
Gewiß diesen hohen Verdiensten fehlt nur das eine, den schon so lange gesuchten letzten Grund alles Wissens und insbesondre der Philosophie aufzufinden und auf ihm das grosse System der Wissenschaften zu konstruiren. Zwar versuchten schon mehrere deutsche Männer, diese Aufgabe zu lösen. Sie wünschten ihrer Nazion den Vorzug zu verschaffen, den Fichte in seiner Schrift: „Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre" (S. 17.) prophezeyt. „Die Nazion, — sagt dieser dort, — welche die Wissenschaftslehre erfinden wird, wäre es wohl werth, ihr aus ihrer Sprache einen Namen zu geben. Sie wäre auch wohl werth, ihr die übrigen Kunstausdrücke zu geben, und die Sprache selbst, so wie die Nazion, welche dieselbe redete, würde dadurch ein entschiedenes Uebergewicht über alle andere Sprachen und Nazionen erhalten."
Allein wie bey allen menschlichen Unternehmungen nur selten die ersten Versuche gelingen, so schienen auch die aufgestellten Systeme nicht den allgemeinen Beifall zu erhalten, der der Wahrheit mir selten versagt wird. Insbesondre sahen wahrheitsliebende Männer mit Schmerzen die neuesten Versuche sich immer mehr von dem rechten Wege entfernen und jeder aechten Philosophie Vernichtung drohen. Doch alle diese verunglückten Unternehmungen erregten bei den unermüdeten Deutschen weder Zweifel an der Möglichkeit einer Philosophie, noch Kaltsinn in deren Bearbeitung: Immer behält man noch die Hoffnung, durch fortgesetzte Versuche, durch fortgesetztes Zusammenschießen guter Ideen endlich den wahren Grund und den ächten Geist jenes allgemeinen Wissenschaftssystems an den Tag zu bringen.
Mein lebhaftes Intresse für diesen Gegenstand bewog auch mich zu einem Versuch, ob ich vielleicht einige Ideen zu dieser patriotischen Angelegenheit beitragen könnte, und ich wagte es die folgenden Zeilen aufzusetzen. Sie entstanden eigentlich bei einer Aufsuchung der höchsten Gründe des Naturrechts, deren Entdeckung mir ohne eine festbegründete Philosophie und Wissenschaftslehre unmöglich schien, und überdieß ganz unabhängig von jedem bestehenden System. Dieser Umstand gewährte freilich einen neuen Standpunkt für die Ansicht der Philosophie und nothwendig mußte ein von andern abweichendes System hervorgehen.
Statt aller Rechtfertigung der für die vorliegende Schrift gewählten Methode, erlaube ich mir blos, folgende Stelle aus der Einleitung zur Rezension von Bardilis Logik in der Jenaischen Literaturzeitung Jahrg. 1804 No. 290. in das Gedächtniß zurückzurufen: „Die scientisische Methode in der Philosophie — heißt es da — besteht darin, daß man zufolge dessen, was man für ergründete Realität der Erkenntniß, eingebildet oder wirklich hält, ein Prinzip aufstellt, aus dem sich die Möglichkeit der reinen und empirischen, theoretischen und praktischen Wahrheit, oder mit einem Worte: die Möglichkeit der theoretischen und praktischen Philosophie ergiebt. Diese Methode ist die gemeinsame Mutter aller Wissenschaften, der ächte Stammbaum, auf welchen die Zweige aller möglichen Erkenntniß sich pfropfen lassen. Sie schafft die sehnlichst begehrte Enzyklopädie des Wissens. Sie verzeichnet jeder Wissenschaft ihr Gebiet, bestimmt ihren Werth, begränzt ihren Umfang und beurkundet ihre Abkunft aus dem gemeinschaftlichen Stamm. Sie zeigt die Natur der Wahrheit, das Wesen der Dinge, die Möglichkeit der Sittlichkeit, Rechtlichkeit und Technik faßlich und deutlich. Ohne sie bleiben die Wissenschaften ohne Begründung, die Wahrheiten haben keine feste Haltung, das Wesen der Sittlichkeit, der Schönheit, der Rechtlichkeit, der Aesthetik und Religion bleibt verborgen. Viele Irrthümer zum Nachtheil der Moralität und wahren Zufriedenheit beherrschen die Gemächer. In Hinsicht der übersinnlichen Wahrheiten von Gott, Vorsehung und Unsterblichkeit herrscht Skeptizismus."
Ich nenne übriqens meinen Versuch mit Fichten die Wissenschaftslehre; nicht als ob ich, wie er, diesen Namen der Philosophie beigelegt wissen wollte, sondern weil mir derselbe ein schicklicher Ausdruck für die Enzyklopädie alles Wissens scheint. Denn Wissenschaftslehre heißt doch dem Worte nach nichts Anders, als die Lehre von den Wissenschaften. Es drückt folglich sehr gut den Begriff aus, den der ausländische Name Enzyklopaedie nur dunkel andeutet.
Sollten die Kunstrichter in mir Talente zum Schriftsteller erkennen ****) und sollten meine neuen Verhältnisse mir zuweilen noch Nebenstunden gönnen, so würde ich bald das System einer metaphisischen Rechtslehre, dieser noch so sehr im Dunkeln liegenden Wissenschaft, folgen lassen. Auch würde ich einzelnen Theilen des positiven Rechts, worin im Grunde noch wenig ächtlogischer Geist weht, mehr System zu geben suchen.
*) Winkelmann.
**) Herschel, Others, Harding.
***) Humbold, Hornemann, Seetzen.
****) Ich muß zugestehen, daß der Styl der vorliegenden Schrift nicht jene hohe philosophische Würde besitzt, die dem Verstande und dem Ohr so wohl thut. Allein vielleicht entschuldigt es mich, daß es so ungemein schwer ist, über philosophische Gegenstände kraftvoll und doch allgemein verständlich zu schreiben und — daß ich durch diese Schrift erst schreiben lernte."